Details zu Bregenz Festivalbühne Rigoletto
- Land Österreich
-
Software
- SCIA Engineer
Die Bregenzer Festspiele in Österreich sind international bekannt für spektakuläre Bühnenbilder und Inszenierungen. Das aktuelle Bühnenbild zu Verdis Oper „Rigoletto“ übertrifft alle bisher dagewesenen aber noch einmal in besonderer Weise. Ganze 140 Tonnen wiegt das Bauwerk auf der Seebühne, das Kunst und Ingenieurleistung in sich vereint. Dabei ist es nicht nur die schiere Größe des zwölf Meter hohen Clownskopfes von Rigoletto und der ebenfalls zwölf Meter langen Hände, die alleine schon beeindruckend sind. Es ist vor allem die raffinierte Bühnentechnik, die das Bauwerk bei jeder Aufführung in Bewegung versetzt und ihm buchstäblich Leben einhaucht. Was die Zuschauer verzaubert, ist das Resultat einer minutiösen Planung, die durch das Ingenieurbüro Lener & Schmid Ingenieure ZT GmbH mit Unterstützung der Software SCIA durchgeführt wurde.
Hinter dem Rigoletto-Bühnenbild, das bei der Premiere im Jahr 2019 erstmals im Einsatz war, stecken von der ersten Idee bis zur Abnahme mehr als zwei Jahre Arbeit. Für den erfahrenen Ingenieur Gerhard Lener vom Ingenieurbüro Lener & Schmid ist es bereits das zehnte Bühnenbild der Bregenzer Festspiele in 20 Jahren, an dem er mitwirkt. Rigoletto ist allerdings sein bisher aufwändigstes: „Je mehr Bewegung in so einer Konstruktion steckt, desto herausfordernder wird es für uns. Und diese hier sollte maximal beweglich sein. Es handelt sich eher um eine Maschine, als um ein statisches Bauwerk“, erklärt der Vorarlberger Lener.
Was der erfahrene Ingenieur damit meint, wird klar, wenn man das Bühnenbild live erlebt. Allein das Haupt von Rigoletto verfügt über eine Vielzahl unterschiedlicher Bewegungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe die Geschichte der Oper begleitet wird. Ein Schwenkantrieb richtet den tonnenschweren Kopf während der Aufführung nach oben, unten, links oder rechts. Die Augen verleihen dem Gesicht eine Mimik, öffnen und schließen nicht nur die Lider passend zur Handlung, sondern können sogar die Augäpfel mit insgesamt acht Antrieben nach oben oder unten bewegen. Auch der Mund kann sich wahlweise öffnen oder schließen. Innen ist der Kopf hohl und bietet bis zu zehn Künstlern Platz, die ihn als Teil der Bühne nutzen.
Links und rechts vom Kopf befinden sich zwei Hände, deren sechs Meter lange Finger ebenfalls mittels eines hydraulischen Schwenkantriebs einzeln steuerbar sind, sodass ihre Bewegung der einer menschlichen Hand ähnelt. In der linken Hand hält Rigoletto einen echten Ballon mit 14 Metern Durchmesser, der mit mehr als 1.300 Kubikmetern Helium gefüllt ist und, wenn Wetter und Windverhältnisse es zulassen, im Laufe der Vorführung in den Nachthimmel emporsteigt.
Die Grundidee für das imposante Bühnenbild stammte von den Bühnenbildnern, die sich mit ihrem Entwurf an Lener & Schmid wandten. Außerhalb der Bregenzer Festspiele arbeiten die Ingenieure für Auftraggeber der öffentlichen Hand oder Fachfirmen mit tiefem technischem Verständnis. Die Zusammenarbeit mit Künstlern ist daher immer wieder etwas Besonderes, was den großen Reiz ausmacht, aber auch einen engen Austausch und viel gegenseitiges Verständnis voraussetzt. „Wir versuchen das künstlerische Erscheinungsbild, die erforderliche Funktionalität, gesetzliche Normen und die technische Machbarkeit in Einklang zu bringen und dabei so viel von den Vorgaben wie möglich umzusetzen“, so Lener. Mithilfe der Software von SCIA modellierten die Ingenieure zunächst die geometrische Darstellung und analysierten anschließend die Bewegung des rotierenden Kopfes.
Eine Herausforderung, der sich die Experten gleich zu Beginn stellen mussten, ist die Verteilung der Lasten. Denn die Seebühne wird auf einem fix installierten Betonkern mit einer maximalen Last von 1000 kg pro Quadratmeter aufgebaut. „Wir mussten genau überlegen, wie wir das verteilen. Denn bei Rigoletto wurde das extrem knapp“, erläutert Lener. Schnell war klar: Ohne Leichtbauweise und Verbundkonstruktion geht es nicht. „Wenn Sie sich dieses Bühnenbild ansehen, erkennen Sie, dass es aus vielen Konstruktionsteilen und Materialien besteht. Es beginnt beim Stahl, geht über Holz bis hin zum glasfaserverstärkten Kunststoff (GFK)“, so Lener. Um Gewicht einzusparen setzen die Ingenieure sowohl auf eine Holz-Stahl-Verbundkonstruktion als auch auf GFK-Stahlverbundkonstruktionen. Die Verschalung wird damit auch zum tragenden Bauteil. „Da haben wir stark von SCIA Engineer profitiert, da diese Software alle diese Materialien abdeckt“, erklärt der Ingenieur.
Was die Konstruktion einzigartig macht, ist, dass sie nicht nur Objekt ist, sondern gleichzeitig auch der Arbeitsplatz von mehreren Schauspielern und Sängern, die vor, auf und sogar in dem Kopf performen. Daher ist es wichtig, strenge Sicherheitsvorgaben zum Schutz der Schauspieler zu berücksichtigen. Zum Teil werden auch Stunts vollführt, bei dem sich Personen von der Bühne herunterfallen lassen. Das muss alles bei der Konstruktion berücksichtigt und auf die dadurch auf die Konstruktion einwirkenden Kräfte hin dimensioniert werden.
Für die Ingenieure bedeutet das, dass sie eine prüffähige Statik abgeben müssen. Die Dimensionierung erfolgt nach den Eurocodes, also entsprechenden europäische Normen und Bemessungsregeln. Dazu mussten Lehner & Schmid präzise Modelle und Nachweise hinterlegen: „Die Form der ganzen Nachweise einzuhalten war enorm aufwändig. Ohne Software-Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen, die entsprechenden Varianten durchzuführen. Darin liegt der riesige Vorteil der Software SCIA Engineer. Denn in ihr sind sämtliche EN-Normen und Nachweise enthalten. Bei dem Berechnungslauf mit SCIA Engineer wurde die Lösung des Gleichungssystems, die Ermittlung der Verformungen und Schnittgrößen innerhalb von wenigen Minuten erzielt“, erklärt der Ingenieur. So konnte Lener & Schmid die Tragwerksplanung und Berechnung schnell durchführen und auch die notwendigen Nachweise zeitnah beisteuern.
Durch die präzise Planung im Voraus gab es kaum Nacharbeiten und das komplexe Bauwerk war termingerecht zum Start der Bregenzer Festspiele 2019 abgenommen und voll einsatzbereit. Mit der beeindruckenden und überwältigenden Leistung gewannen Lener & Schmid den SCIA User Contest 2020 in der Kategorie „Special Projects“. Was vor allem überzeugte, war die „Analyse der verschiedenen Positionen des rotierenden Kopfes. Die Darstellung des Gesichts und der Haut sowie die geometrische Darstellung des Modells, die der tatsächlichen Form des Kopfes sehr nahekommt“, so die Begründung der Jury. Während der diesjährigen Festspielsaison war das Rigoletto Bühnenbild bis zum 22. August 2021 in Aktion zu sehen. Nun wird es gerade abgebaut und die Materialien recycelt. Denn Lener & Schmid stecken bereits in der Planung des nächsten Bühnenbildes – Puccinis „Madame Butterfly“ im Sommer 2022.
Abmessungen der Komponenten:
- Schwenkarm Länge 34,7 m - Höhe 2,5 m
- Kopf Breite 11,3 m - Höhe 13,5 m
- Gesamtgewicht ca. 140 t
"Analyse der verschiedenen Positionen des rotierenden Kopfes. Darstellung des Gesichts und der Haut. Die geometrische Darstellung des Modells kommt der tatsächlichen Form des Kopfes sehr nahe."
Quote of the Jury
Dieses Projekt ist der Gewinner des SCIA User Contest 2020 – Kategorie 4, Spezialprojekte.
Lesen Sie die ganze Geschichte in unserem SCIA User Contest 2020 Buch
SCIA organisiert seit Jahren Benutzerwettbewerbe, an denen alle Arten von Projekten teilnehmen können.
Neugierig auf unseren letzten Wettbewerb?
Neu: Jetzt mit vielen integrierten Projekt- und Testimonial-Videos ausgestattet